Es gibt Rückenprobleme, bei denen konservative Maßnahmen wie Schmerztherapie, Physiotherapie und andere nichtinvasive Behandlungen keine ausreichende Linderung bringen. Und solche, bei denen von Anfang an fest steht, dass eine Operation nötig ist. Die Fachärzte der Bozner CityClinic, Dr. Maximilian Broger, Dr. Thomas Oberhofer und Dr. Marco Baldassa, erklären, wann das genau der Fall ist.
Wann wird ein operativer Eingriff an der Wirbelsäule ins Auge gefasst? Dr. Maximilian Broger: An der Wirbelsäule gibt es traumatische Verletzungen mit und ohne neurologische Folgeerscheinungen. Hier ist die Beurteilung der Stabilität wichtig. Eine stabile Wirbelfraktur kann konservativ behandelt werden, eine instabile muss sofort mit einer internen Fixation stabilisiert werden. Frakturen können manchmal auch ohne Traumen entstehen. Dies passiert, wenn der Knochen seine Widerstandsfähigkeit verloren hat, z. B. bei Osteoporose oder bei der Substitution des Knochens durch Tumoren. Dr. Thomas Oberhofer: Dann gibt es typische gutartige Tumoren, die von neurologischen Strukturen, also Rückenmark und Nervenwurzeln, oder von der Hirnhaut ausgehen. Diese werden mit aufwändigen mikrochirurgischen Eingriffen sehr oft erfolgreich und unter Erhaltung der Funktion des Rückenmarks abgetragen. Ferner kann sich die gesamte Achse deformieren: Diesen Vorgang nennt man Skoliose. Dieses seitliche Abdriften der Wirbelsäule kann schon in jungen Jahren auftreten oder auch im Greisenalter als Verschleißerscheinung. Diese Deformitäten verlangen eine Korrektur der Lage einzelner oder mehrerer Wirbel mit Schrauben und Stäben, damit die Wirbelsäule wieder die korrekte Achse einnimmt.
Welche Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule werden noch operativ behandelt? Dr. Marco Baldassa: Da sind die Stenosen zu nennen, also Engstellen des Wirbelkanals. Da im Wirbelkanal das Rückenmark – oder die Nervenwurzeln für die unteren Extremitäten – verlaufen, geht eine Verengung des Wirbelkanals mit einem fortschreitenden Verlust der sensiblen und motorischen Funktionen der vier Extremitäten einher. Deswegen wird das entsprechende Krankheitsbild auch Schaufensterkrankheit genannt. Geht man nämlich an Geschäften vorbei, sieht es so aus, als würde man immer wieder stehenbleiben, um die Schaufenster zu betrachten. In Wirklichkeit kommt man aber wegen der schweren Beine nicht vom Fleck. Hier ist es notwendig, den Wirbelkanal zu erweitern, da die zunehmende Engstellung ein Fortschreiten der Symptome bewirkt. Die gemeinhin bekannteste Erkrankung an der Wirbelsäule ist jene an den Bandscheiben. Dr. Maximilian Broger: Das ist richtig, obwohl die Bandscheibenchirugie nur einen kleinen Bereich der Wirbelsäulenchirurgie ausmacht. Die Bandscheiben sind Verbindungsglieder zwischen den einzelnen Wirbeln. Sie verleihen der Wirbelsäule als Ganzes Beweglichkeit und besitzen auch eine gewisse Stoßdämpfer-Funktion. Bei Über-Beanspruchung der Bandscheiben können sich diese vorwölben; wir sprechen von Protrusion. Solange eine Protrusion die vorbeiziehenden Nerven nicht berührt, verursacht diese nur lokale Schmerzen. Werden aber Nerven oder gar das Rückenmark komprimiert, dann können typische Schmerzen oder gar neurologische Ausfälle auftreten.
Dann muss in jedem Fall operiert werden? Dr. Thomas Oberhofer: Nein, so ist es nicht. Manchmal gelangt der weiche Kern in den Wirbelkanal: Dann können sich die Schmerzen nach einem Wochen dauernden Leidensweg spontan bessern, weil das ausgesonderte Bandscheibenmaterial – genannt Sequester – austrocknet und an Konsistenz und Volumen verliert. Dies erlaubt wieder ein „Aufatmen“ der betroffenen Nervenwurzel. Falls dieser Vorgang nicht eintritt, kann das Bandscheibenmaterial, also die Diskushernie, auch chirurgisch abgetragen werden.
Welche Techniken werden da angewandt? Dr. Marco Baldassa: Die allgemein etablierten Techniken sind die mikrochirurgische und die endoskopische Chirurgie. Letztere bietet den Vorteil einer kleineren chirurgischen Wunde, Weichteile werden geschont, und sie erlaubt, auch „versteckte“ Hernien an den Nervenaustrittskanälen der Wirbelsäule abzutragen. Falls außer Schmerzen auch beträchtliche motorische Ausfälle auftreten, sollte auf jeden Fall die chirurgische Behandlung vorgezogen und nicht auf eine Spontanheilung spekuliert werden. Insgesamt werden von 10 Patienten mit einem Bandscheibenvorfall nur zwei bis drei operiert, die anderen werden konservativ behandelt.
Wie schaut es mit der Rehabilitation nach einer Bandscheiben-OP aus? Dr. Maximilian Broger: Diese ist nur dann wirklich unentbehrlich, wenn sich allein mit der Operation die motorischen Ausfälle nicht gebessert haben. Präventiv ist hingegen eine Haltungsgymnastik zur Stärkung der Rückenmuskulatur sehr nützlich. Eine schwache Muskulatur sowie ein ungesunder Lebensstil mit wenig Bewegung stellen einen Risikofaktor für die Bandscheiben dar. Manchmal spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle. Wir kennen Familien, wo Bandscheibenprobleme gehäuft auftreten, selbst wenn die Mechanismen der genetischen Vererbung noch unklar sind.
Dr. Thomas Oberhofer
Dr. Thomas Oberhofer studierte in Wien und Innsbruck Medizin. Facharztausbildungen in Chirurgie und Orthopädie und Unfallchirurgie absolvierte er in Verona und München. Von 1999 bis 2001 war er Oberarzt an der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie am Krankenhaus Meran und spezialisierte sich 2002/2003 in München und Seattle (USA) auf Wirbelsäulenchirurgie. Seit 2003 ist er Teil des Ärzteteams OrthoPlus in Bozen und in der CityClinic tätig. Seit 2010 arbeitet er zudem als Unfallchirurg in Kamerun, Äthiopien und Uganda.
Dr. Marco Baldassa
Dr. Marco Baldassa studierte in Padua Medizin und Chirurgie und spezialisierte sich als Neurochirurg. Von 2009 bis 2017 war er Oberarzt an der Neurochirurgischen Abteilung des Bozner Krankenhauses. Von 2016 bis 2022 arbeitete er freiberuflich im TeamGetwell in seiner Praxis. Seit 2023 führt er seine eigene Praxis und operiert in der CityClinic.
Dr. Maximilian Broger
Dr. Maximilian Broger hat in Innsbruck Medizin und Konzertklavier studiert. Danach spezialisierte er sich zum Neurochirurgen am Krankenhaus Bozen; in dieser Zeit führte er über 3000 Eingriffe an Kopf und Wirbelsäule durch. Durch die Teilnahme an wissenschaftlichen Projekten und Kongressen machte er die Bozner Neurochirurgie im nationalen Panorama bekannt und führte zahlreiche neue OP-Techniken ein. Er unterrichtet an der medizinischen Hochschule „Claudiana“ und hat dort 5 Diplomarbeiten betreut. An der Universität Verona hielt er 2018 Vorlesungen als Gastprofessor im Rahmen des Masters für Wirbelsäulenchirurgen. Seit 2024 führt er seine eigene Praxis und operiert in der CityClinic.